top of page

Die Kränkung (Teil 1: Die Wunde)

Updated: Apr 1

Ein paar lose Gedanken zu „seelische Wunden“ – vielleicht mit einer leichten Färbung aus der gestalttherapeutischen Perspektive, die ich dafür sehr passend und interessant finde.


Aus der Sicht der Gestalt(therapie) könnte man sagen, dass „seelische Wunden“ als sogenannte „offene Gestalten“ betrachtet werden können. Eine offene Gestalt ist ein Prozess, in diesem Fall in unserer fernen oder nahen Vergangenheit, der noch nicht abgeschlossen ist und (meist) im Unbewussten fortbesteht. Man könnte auch sagen: Eine Erfahrung bleibt unvollständig (erlebt), solange wir sie nicht verarbeitet, abgeschlossen haben. Somit haben sie (noch) nicht „integriert“ (assimiliert).


Ein für mich tolles, oft verwendetes, anschauliches Beispiel dafür ist ein Apfel:

Wenn wir ihn berühren (In Kontakt gehen), hineinbeißen, kauen, schmecken und schlucken, dann nehmen wir ihn bewusst auf. Die nützlichen Bestandteile verdauen wir, die schädlichen scheiden wir aus.

Aber wenn wir ihn unzerkaut herunterschlucken, liegt er schwer im Magen – ein unverdaubarer Fremdkörper, fast wie ein Stein. (Natürlich ist das nur eine Metapher – in der Realität würde er sich irgendwann zersetzen.) Doch die Idee bleibt: Jeder Kontakt/Berührung von außen erinnert uns an dieses Unverdaute und bringt den Schmerz wieder ins Bewusstsein.


Genauso verhält es sich mit unverarbeiteten Erlebnisse oder verletzenden Erfahrungen - vor allem jene die unser Selbstwertgefühl in irgendeiner Form verletzten.

Sie liegen da, verborgen in uns, abgekapselt wie ein Fremdkörper meist nicht vordergründig und werden durch Kontakt in Form von Kritik, Kränkung oder Zurückweisung im Jetzt stimuliert - sie wieder als Schmerz obwohl alten Ursprungs im Jetzt aktuelll spürbar. So kommen wir faszinierender Weise eigentlich mit unangenehmen Gefühlen die eigentlich in der Vergangenheit liegen in Verbindung.

Meist tragen wir nicht nur eine offene Gestalt in uns, sondern viele. In Therapie, Beratung oder Coaching gibt es die Möglichkeit, diese alten Wunden in einem sicheren Rahmen zu erforschen, vorsichtig vordergründig zu machen – und bestenfalls abzuschließen oder zu integrieren, als Teil von uns.


Von einem mir sehr wichtigen Menschen lernte ich erst kürzlich - passend zu diesem Thema - in „getriggerten“ Momenten, beispielsweise in verbalen Konflikten, zwischen Ursache und Auslöser unterscheiden zu lernen. Oft sind es Taten oder Worte die uns „zünden“ und sind doch meist nur Auslöser dessen was schon lange vergangen ist und so der Schmerz den wir spüren ein völlig anderer, auch zeitlich vergangene Ursache.


Ein schöner Gedanke ist, dass offene Gestalten eine natürliche Tendenz haben, sich schließen zu wollen. Vielleicht kann eine Kränkung, die unsere wunden Punkte berührt, manchmal sogar eine Chance sein – um unerledigte Geschichten zu vollenden.

Kränkung (Teil 2)

Warum sie uns so trifft – und wie wir anders mit ihr umgehen können Eine neue Klientin brachte mich erneut zum Nachdenken über das Thema...

 
 
 

Comments


bottom of page